Superblocks für Köln: Echte Beteiligung oder Status quo?
Ein Interview mit Angelika Egle
Angelika Egle hat sich in ihrer Masterarbeit im Fachbereich Interkulturelle Kommunikation und Bildung an der Universität zu Köln mit der Superblock-Bewegung in der Domstadt beschäftigt. Sie hat hierfür u.a. auch Interviews mit uns, der IG Winzerveedel, geführt. Im Blog-Beitrag spricht sie über die Erkenntnisse ihrer wissenschaftlichen Anrbeit und zeigt auf, wie sie den gesellschaftspolitischen Prozess in Bezug auf die Umsetzung von Superveedeln in Köln bewertet.
Angelika Egle: Die Forschungsstelle für interkulturelle Studien zeichnete ihre Masterarbeit aus.
Mit welcher Fragestellung hast Du Dich in Deiner Masterarbeit beschäftigt?
Angelika Egle: Superblocks für Köln: Wie kann das funktionieren? Die Frage bezog sich hier weniger auf stadtplanerische Expertise oder technische Umsetzung, sondern für mich, die sich in den Sozial- und Kulturwissenschaften beheimatet fühlt, auf einen gesellschaftspolitischen Prozess.
Ziviles Engagement, das über ein Kreuzchen-Setzen im Vierjahresrhythmus hinausgeht, hat mich schon länger beschäftigt – eine unverzichtbare und politisch gewollte, aber paradoxerweise viel zu wenig gewürdigte Komponente funktionierender Sozialsysteme. Es ging mir im Kontext kölscher Superblocks daher v.a. um die Frage nach politischer Handlungsfähigkeit: Wird die engagierte Zivilbevölkerung als Akteurin ernst genommen, wie weit darf sie mitmischen? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Stadtpolitik und -verwaltung? Welche Erfahrungen resultieren aus diesen Kommunikationsprozessen? Ich habe mit Engagierten vor Ort gesprochen: Aus der IG Winzerveedel, der Bürgerinitiative LebeVeedel sowie der Bürgerinitiative Deutzer (Auto-)Freiheit.
Was hat Dich zur Bearbeitung der Fragestellung motiviert?
Angelika Egle: Dank meiner Mitarbeit im Projekt „Das gute Leben in den Veedeln“ (2021–2023) der Agora Köln wurde ich in das Thema Superblocks buchstäblich hineingeworfen, war sofort „angefixt“ und habe allerlei dazu gelesen. Das war richtige Aufbruchstimmung, völlig zurecht! Dabei durfte ich auch erfahren, dass erste Impulse zu kölschen Superblocks allen voran aus der Nachbarschaft kamen. Sie wollten die Sache selbst in die Hand nehmen und verfolgten das Ziel, die Politik von ihren Visionen zu überzeugen.
Was hier zumeist ehrenamtlich geleistet wurde – Recherche, Konzeption, Analyse der Bedingungen und Chancen vor Ort, Vernetzung mit Expert*innen und Politik, intensive Informations- und Kommunikationsarbeit innerhalb der Nachbarschaft sowie – generell – der Wissenserwerb über Mitsprachemöglichkeiten auf dem politischen Parkett mit all ihren (bürokratischen) Eigenheiten und Hürden: Das hat mich wahnsinnig beeindruckt.
Zugleich hatte auch die Politik das Konzept auf dem Schirm, der erste große Wurf dazu kam im September 2022: Köln beschließt die Einrichtung eines Pilot-Bürgerrats, das Thema: Superblocks! Auch wenn damals noch nicht klar war, wie genau ein Transfer des Konzepts in kölsche Veedel aussehen könnte: Hier wurde das ernsthafte Anliegen vermittelt, die Zivilgesellschaft intensiv an diesem Prozess zu beteiligen. Die Erfahrung zeigt: Dann funktionieren stadtentwicklungsrelevante Projekte besser, stoßen auf höhere Zustimmung – das müssen sie im Übrigen auch, seit 2019 befindet sich Köln offiziell im Klimanotstand. Die Politik ist ja auch nicht auf den Kopf gefallen und wusste, dies in entsprechende Maßnahmen zu übersetzen. Wie so oft mahlen die Mühlen der Stadt nur langsam, während in den Nachbarschaften vor Ort „einfach gemacht“ wurde. Hier war man schlicht schneller und näher dran. Spätestens hier wurde für mich die Partizipationsfrage richtig interessant. Wenn Beteiligung in top-down-Prozessen funktioniert und gewollt ist, funktioniert in Köln dann auch der umgekehrte Weg, vielleicht sogar besser?
Was waren Deine zentralen Ergebnisse?
Angelika Egle: Am meisten überrascht hat mich die weitgehend übereinstimmende Wahrnehmung der vorgefundenen Kommunikationsstruktur – und das trotz beachtlicher Unterschiede in punkto Projektfortschritt, Ressourcen, sozialräumlichen Eigentümlichkeiten.
Alle Initiativen erfuhren grundsätzliche politische Zustimmung. Zugleich fehlte es in allen Kontexten an niedrigschwelligen Zugängen. Die mangelnde Präsenz seitens der Stadt zeigte sich sowohl auf Ebene der (eben unzureichenden) politischen Informations- und Aufklärungsarbeit vor Ort als auch beim Versuch, sich im Bürokratiedschungel zurechtzufinden. Missverständnisse, Unsicherheit und Konflikte sind vorprogrammiert. Derartige Voraussetzungen machen es Engagierten nicht gerade leicht, mit Motivation und Zuversicht an ihren Zielen festzuhalten – Engagierte zu bleiben. Für Anwohnende mit Fragezeichen oder gar Wut hingegen werden Fragezeichen und Wut bleiben.
Was lässt sich aus diesen Ergebnissen lernen?
Angelika Egle: Geschlossenheit, Verantwortung, Rückendeckung: Darauf lassen sich die zentralen Forderungen meiner Gesprächspartner*innen an die Stadt herunterbrechen. Sie beruhen zunächst auf den individuellen Projekterfahrungen, werden aber auch in einen größeren Kontext gesetzt.
Eine konsequente Etablierung der Nachhaltigkeitsagenda setzt demnach nicht nur voraus, entsprechende Themen zu setzen, sondern auch, alle Instanzen mit ins Boot zu holen: Vom Verwaltungsangestellten bis zur Bürgermeisterin. Da ist ein großes Bedürfnis nach berechenbarer, partnerschaftlicher Kommunikation – auf Augenhöhe, mit offenem Ohr und bestenfalls von Beginn an. Nur das erzeugt eine wirklich gute Vertrauensbasis. Da ist die Stadt sicher auf einem guten Weg, die Gespräche zeigen aber auch: Da ist noch Luft nach oben
Vielen Dank für diesen Einblick!
Tiefer ins Thema einsteigen?
Angelika Egle hat auch in der Zeitschrift dérive publiziert (Nr. 99, April bis Juni 2025)